Ob das geht?“, mit dieser Frage eröffnete Dekan Günther Klöss-Schuster der
Reformationsfestgottesdienst des evangelisch-lutherischen Dekanates Castell in der Gerolzhöfer Stadtpfarrkirche. „Ob das geht“ habe sich nicht nur er, sondern alle Pfarrer des Dekanats in der
Vorbereitung gefragt, einen Reformationsfestgottesdienst in einer römisch katholischen Kirche zu feiern. Im Nachhinein konnte man sagen: Es ging, natürlich.
Es sei wunderbar, gemeinsam Gott zu preisen, freute sich Klöss-Schuster, der sich herzlich beim Hausherrn und katholischen Pfarrer Stefan Mai bedankte. Dieser habe, als man nachgefragt habe, „ob
das geht“, diese Kirche zu nutzten, sofort mit einem deutlichen Ja geantwortet. Das sei nicht selbstverständlich, betonte der Dekan.
In den Gottesdienst integriert waren zwei Szenen aus dem Stück „Das Große Gerolzhöfer Welttheater“ nach Hugo von Hofmannsthal, welches im letzten Jahr im Rahmen der unterfränkischen Kulturtage
aufgeführt wurde.
„Freiheit ist alleweil nah - mir deucht sie ist von Gott“, so ein Zitat des Bettlers, gespielt von Markus Grimm. Die beiden kurzen Sequenzen aus dem Theaterstück dienten für den evangelischen
Pfarrer Jean-Pierre Barraud sowie für den katholischen Pfarrer Stefan Mai, die die Ansprachen übernahmen, als Impulse. Inhaltlich übertrugen sie die Darstellung in den Szenen auf die Themen Freiheit
und Reformation. Barraud verglich den Menschen aus dem Theater, der sich zunächst weigert, einen Bettler zu spielen, mit dem alltäglichen Leben eines jeden. Dabei gebe es zwei Möglichkeiten, entweder
das Schicksal einfach so hinzunehmen oder sich dagegen aufzulehnen, so der evangelische Pfarrer. „Martin Luther wählte Letzteres“, stellte er fest, „und gewann damit die Freiheit, was aber gleichsam
auch den Bruch mit vielem bedeutete“, so Barraud. Doch alle könnten auf Gottes Hilfe hoffen, bekräftigte er abschließend.
Durch vielfältige musikalische Gestaltung wurde dem Festgottesdienst der würdige Rahmen verliehen. Dekanatskantor Reiner Gaar dirigierte den Kammerchor Cantantes Musici und der Bezirksposaunenchor
unter der Leitung von Emil Hanauer begleitete die Gemeinde beim Gesang und gestaltete den Gottesdienst festlich mit.
Stefan Mai sandte in seiner Ansprache folgende zentrale Botschaft in die nahezu vollbesetzte Stadtpfarrkirche: „Hier ist ein Ort, an dem alle vor Jesus Christus die gleiche Würde haben.“ Hier gebe
es die Freiheit, dass sämtliche gesellschaftliche Barrieren aus den Angeln gehoben werden, sagte Mai.
„Baptizatus sum“ zu deutsch: Ich bin getauft. Damit habe sich Martin Luther in seiner schwierigen Zeit immer wieder Mut gemacht und trübe Stunden des Zweifels überwunden. Die Tauferinnerung sei
sogar „Lebenselixier für den Reformator“ gewesen, betonte der katholische Pfarrer Mai, und spannte damit den Bogen zwischen Reformation und Taufe. Um die sich an seine Taufe zu erinnern und sie zu
erneuern, war dann eine Schale mit Taufwasser aufgestellt, mit dem sich jeder Besucher ein Kreuz auf die Stirn malen konnte. Zuvor hatte der evangelische Pfarrer Jean-Pierre Barraud zur
Tauferinnerung mehrere Fragen an die Gemeinde gestellt, welche diese mit den Worten „Ja, ich glaube“ beantwortete.
Im Anschluss an den Festgottesdienst fand der Jahresempfang des Dekanats Castell im Gebäude der Mittelschule statt, zu dem die Angehörigen beider Konfessionen herzlich eingeladen waren. „Über
Konfessionsgrenzen hinweg gehören wir alle zum gekreuzigten und auferstandenen Herrn“, sagte Pfarrer Stefan Mai am Ende.